Masterflex AG, Gelsenkirchen - Dezember 2009
Polyurethan ist nicht nur als Schaum ein Universalgenie unter den Kunststoffen. Seit den 60er Jahren hat dieser Kunststoff eine rasante Entwicklung vollzogen und setzt seitdem seinen Siegeszug unaufhaltsam fort. Mit detaillierterem Wissen über das Eigenschaftsprofil von Polyurethanen und verbesserten Verarbeitungs-Technologien offenbart sich dieser Werkstoff mittlerweile als Multitalent. Auch in der Schlauchindustrie kommt er wegen seiner hervorragenden Eigenschaften zunehmend zum Einsatz.
Der Werkstoff Polyurethan (PUR) zeigt sich als geradezu ideale Lösung, wenn es um das Fördern von extrem abrasiven, problematischen Fördergütern in den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen geht. Aktuelle Technologien im Schlauchsektor haben das Anwendungsspektrum stark erweitert und bieten für nahezu jeden Einsatzbereich eine passende Schlauchlösung. Mit den derzeitigen Möglichkeiten offenbart sich Polyurethan als Multitalent. Denn dort, wo andere Kunststoffe passen müssen, erweist sich der Hightech-Werkstoff häufig als gute Lösung.
Werkstoff mit vielen Gesichtern
Nach und nach revolutionierten zahlreiche Weltneuheiten die Märkte, wie das erste Polyester TPU-Material, das gegen Mikroorganismen resistent ist. Schwer entflammbare Materialien wurden entwickelt, aus denen zum Beispiel Sitze in Flugzeugen hergestellt werden. Im Bereich der High-Tech-Schlauchsysteme revolutionierte diese Innovation eine ganze Branche. Schläuche aus Polyurethan sind heute in der Holzindustrie gesetzlicher Standard. Auch in anderen Bereichen der Schlauchindustrie konnten leistungsfähige Produkte aus diesem Kunststoff entwickelt werden. So wird elektrisch leitfähiges Polyurethan in Schläuchen zur Vermeidung elektrostatischer Aufladungen eingesetzt. Besonders verschleißfestes Polyurethan hält auch extrem abrasiven Materialien Stand, so dass heute zum Beispiel Schotter problemlos durch einen PUR-Schlauch transportiert werden kann.
Reif für anspruchsvolle Lösungen
Und Polyurethan setzt seinen Wachstumskurs weiter fort. Immer neue Anwendungsbereiche werden erschlossen, insbesondere dort, wo traditionelle Werkstoffe wie PVC, Gummi und Stahl passen müssen. Experten schätzen, dass erst 15 % der Einsatzmöglichkeiten von Polyurethan genutzt werden. Denn Polyurethan kann harte oder weiche Eigenschaften annehmen, biostabil oder biodegradierbar (selbstabbauend) sein und weist ein breites Spektrum an Chemikalienbeständigkeit auf. Es zeichnet sich durch gleichbleibende physikalische Eigenschaften in einem weiten Temperaturbereich aus. Polyurethan ist äußerst widerstandsfähig und erzielt dadurch in vielen Anwendungsbereichen sogar längere Standzeiten als beispielsweise Stahl. Dies führt auch im Bereich des Verschleißschutzes von Förderanlagen zu innovativen Lösungen. Die Achillesferse ist dort der Rohrbogen. Bei einer Aufprallgeschwindigkeit von etwa 100 km/h werden sogar Saatkörner zur Herausforderung. Jetzt gibt es erstmalig ein patentiertes Verfahren, bei dem Förderrohre und Bögen mit Polyurethan ausgekleidet werden. Beispielhaft für diese Entwicklung sind „Master-Protect"- Rohrbögen der Masterflex AG. Die Auskleidung eines Rohrbogens mit Polyurethan senkt den Verschleiß erheblich. Erfolgreiche Installationen in Industrieunternehmen und Tests der Technischen Universität Braunschweig haben bestätigt, dass sie um ein Mehrfaches verschleißfester sind als ein nicht ausgekleideter Stahlrohrbogen und vielfach signifikant längere Standzeiten aufweisen als andere auf dem Markt befindliche Verschleißschutzsysteme - ein kostengünstiger Weg, um teure Produktionsstillstände zu vermeiden. Die Vielseitigkeit von Polyurethan gewinnt auch in der Medizintechnik immer mehr an Bedeutung. Innerhalb der Masterflex-Gruppe befasst sich die Novoplast Schlauchtechnik GmbH mit diesem Thema. Mikroporöses Polyurethan wird bereits in der Wundversorgung eingesetzt, um eine narbenfreie Heilung zu begünstigen. Schläuche und Katheder aus Polyurethan werden immer häufiger verwendet, weil der Werkstoff antithrombogene Eigenschaften besitzt. Es ist bereits gelungen, antibakterielles PUR zu entwickeln, das die Infektionsgefahr erheblich reduziert.
Lösungen nach Maß
Die genannten Beispiele sind nur ein kleiner Teil möglicher Anwendungsfelder. Polyurethan stellt im Prinzip ein Baukastensystem dar, aus dem immer neue, maßgeschneiderte Lösungen individuell zusammengestellt werden können. Darin liegt das große Zukunftspotenzial dieses faszinierenden Hightech-Kunststoffes. Auch werden zunehmend höhere Temperaturanforderungen an thermoplastische Werkstoffe gestellt, etwa beim Fördern heißer Kunststoffgranulate oder anderer Schüttgüter wie Zement, Glas- und Steinwolle, Asche, Metallspäne. Bei der Vielfalt der Anwendungsbereiche für Spiralschläuche wird traditionell mit unterschiedlichen thermoplastischen Werkstoffen gearbeitet. Viele Jahre dominierten Gummischläuche und PVC-Schläuche den Markt. Seit beginn der 90er Jahre haben zunehmend auch andere thermoplastische Werkstoffe wegen ihrer verbesserten Eigenschaften den Markt erobert. Anforderungen an Schläuche im Hinblick auf Abriebfestigkeit, Flexibilität, Reißfestigkeit, Temperaturbeständigkeit, Mikrobenbeständigkeit und/ oder Hydrolysebeständigkeit, Schwerentflammbarkeit, Antistatik, elektrische Leitfähigkeit und Lebensmitteltauglichkeit können durch das Baukastenprinzip dieses Hochleistungswerkstoffes erfüllt werden.
Vielfältige Entwicklungen im Bereich der Spiralschläuche
Wegen der stetig wachsenden Qualitätsanforderungen hinsichtlich Funktionalität und Standzeiten in Verbindung mit einem optimalen Kosten-Nutzen-Verhältnis haben die Schlauchhersteller in den letzten Jahren eine Vielzahl von Schlauchvariationen entwickelt, die auf die jeweiligen, individuellen Anforderungsprofile der Anwender ausgerichtet sind.
Eine zunehmende Harmonisierung international gültiger Richtlinien führte ebenfalls zu erhöhten Anforderungen an die Materialeigenschaften. Exemplarisch nennen wir an dieser Stelle einige Produktentwicklungen im Hinblick auf spezielle Anforderungen: Abriebfestigkeit: Die Abriebfestigkeit stand bei vielen Schlauchherstellern zur Verlängerung der Standzeiten von immer robusteren Schlauchtypen im primären Fokus der Produktentwicklungen. Es hat sich jedoch in den unterschiedlichen Anwendungsbereichen herausgestellt, dass außer den reinen Materialeigenschaften auch konstruktive Merkmale wie die „innere Glattheit" des Schlauches eine wichtige Rolle spielen im Hinblick auf die Strömungsoptimierung, die Energiekostenoptimierung, das Reduzieren der Stillstandszeiten und Wartungsintervalle sowie die Reinigungsmöglichkeiten.Glatt ist dabei nicht glatt genug. Durch ein neues, patentiertes Verfahren ist es gelungen, erstmals innen nahtlos glatte Spiralschläuche aus Polyurethan herzustellen. Die „Master- PUR Inline"- Schläuche bieten eine Kombination von hoher Abriebfestigkeit bei enormen Wandstärken und außergewöhnlichen Biegeradien. PUR-Schläuche werden damit in vielen Bereichen zu einer echten Konkurrenz für den bisher dominierenden schweren Gummischlauch, wenn problematische Fördergüter optimal transportiert werden müssen.
Alle bisher auf dem Markt befindlichen Polyurethan-Spiralschläuche besitzen auf Grund ihrer wendelförmigen Schlauchkonstruktion eine Schweißnaht. Genau diese Schweißnaht kann jedoch konstruktionsbedingt eine Schwachstelle darstellen, weil dort in der Regel der größte Angriff des Fördergutes stattfindet. Mit einem besonderen Verfahren, das die positiven Eigenschaften eines profilextrudierten Schlauchs mit den speziellen Eigenschaften von Elastomeren verbindet, können jetzt die weltweit ersten innen nahtlos glatten Spiralschläuche produziert werden. Erhöhte thermische Beständigkeit: Größere Anforderungen an Schläuche hinsichtlich der Temperaturbeständigkeit stellten die Entwicklungsingenieure vor die Aufgabe, die hervorragenden Eigenschaften des Werkstoffes Polyurethan im Hinblick auf Abriebfestigkeit, Flexibilität und mechanische Festigkeit mit einer erhöhten Temperaturbeständigkeit zu kombinieren. Allgemein liegt die normale Dauergebrauchstemperatur von thermoplastischem Polyurethan bei rund 90 °C, kurzzeitig bis 125 °C. Die neuartigen „Master-PUR HT" Schläuche zeigen auch im Dauereinsatz bei Temperaturen bis 125 °C besonders gute Eigenschaften, und können darüber hinaus kurzzeitig bis 150 °C eingesetzt werden. Überall dort, wo etwa im Maschinenbau und in der Kunststoffverarbeitung oder in anderen industriellen Anwendungen wie der Zementindustrie oder Isoliertechnik heiße Fördergüter transportiert werden müssen, haben sich diese Schläuche in letzter Zeit bewährt.
Erfüllen spezifischer Richtlinien
Im Bereich der Förderschläuche haben sich in den letzten zehn Jahren wegen der erhöhten Anforderungen in unterschiedlichen Regelwerken gravierende Entwicklungen ergeben. Beispielhaft sollen an dieser Stelle die Bereiche Lebensmittelkonformität, Brandbeständigkeit und Explosionsschutz genannt werden. In den EG-Richtlinien 2002/72/EG einschließlich der neuesten Änderungen sind die Kriterien für die Lebensmitteltauglichkeit von Spiralschläuchen festgeschrieben. Die DIN 4102 schreibt z.B. die Bedingungen vor, die Spiralschläuche im Hinblick auf Schwerentflammbarkeit erfüllen müssen. Andere Spezifikationen wie die amerikanische Brandnorm UL, die französische Brandnorm NF oder die englische Brandnorm M mit ihren jeweiligen Modifikationen müssen von den unterschiedlichen Spiralschläuchen zunehmend erfüllt werden. Aktuell ist die TRBS 2153, Richtlinie der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie in aller Munde. Die bis dato gültige BGR 132 wird seit April 2009 durch die TRBS 2153 ersetzt. Sie beinhaltet neue Kriterien für den Gebrauch von Spiralschläuchen in den unterschiedlichen Gefahrenzonen. Neu ist insbesondere der Aspekt, dass Schüttgüter in zwei Gruppen klassifiziert werden, nämlich in brennbare Schüttgüter und nicht brennbare Schüttgüter. Die Aussagen und Verfahrensweisen für den Transport nicht brennbarer Schüttgüter haben sich im Wesentlichen nicht verändert. Anders sieht es für den Transport brennbarer Schüttgüter aus. Mit der neuen TRBS 2153 werden die Anforderungen an die Materialzusammensetzungen im Hinblick auf elektrostatische Eigenschaften bzw. Ableitfähigkeit erhöht. Beim Verwenden von Spiralschläuchen in der Zone 0/20 muss der Anwender eine gezielte Gefahrenanalyse vornehmen. Wie bisher werden in der Regel elektrisch leitfähige Schläuche mit einem Oberflächenwiderstand < 10 hoch 6 Ohm empfohlen. In der Zone 1/21 haben sich die Anforderungen verschärft. Beim Transport brennbarer Schüttgüter werden nunmehr antistatisch ausgerüstete Schläuche mit einem Oberflächenwiderstand < 10 hoch 9 Ohm empfohlen. In Zone 2 ergeben sich keine wesentlichen Änderungen zum alten Regelwerk. Ergänzend anzumerken ist dabei, dass es sich bei der Richtlinie TRBS 2153 grundsätzlich nur um eine Empfehlung handelt, von der der Anwender abweichen darf, sofern er die Wirksamkeit der von ihm verwendeten Lösung nachweisen kann. Es zeigt sich also mehr denn je, dass Spiralschläuche aus den unterschiedlichsten thermoplastischen Werkstoffen, insbesondere Polyurethan, vielfältige Lösungsmöglichkeiten bei der Förderung von festen, flüssigen und gasförmigen Medien in allen Bereichen der Industrie bieten. Für den Anwender sind Werkstoffzusammensetzungen,Schlauchkonstruktionen und Einsatzbedingungen letztlich maßgeblich entscheidend für die richtige Auswahl.
Zum Autor:
Alfons Beitz ist Verkaufsleiter der Masterflex AG, Gelsenkirchen, Bereich High-Tech-Schlauchsysteme